Der pandemiebedingte Headsetverschleiß nötigte mich zu einer Neuanschaffung. Schon nach einem völlig chaotischen Tag mit Teams, BigBlueButton, GoTo-Meeting, Mobiltelefon und einer Baustelle mit schwerem Gerät im Vorgarten des Nachbarn steht mein Urteil fest.
tl;dr: Klasse Headset, nicht für alles geeignet
Alleine das Auspacken macht schon Spaß. Auf der einfachen, aber hochwertigen Verpackung werde ich von den Dänen lieb begrüßt.
Na denn. Wohl muss ich das elegante Headset erstmal von einem ganzen Satz Plastikschutzfolien befreien. Die kleben auf quasi fast allen ebenen Plastikflächen. Es wurde zum Glück auf Klavierlackoberflächen verzichtet, ergo keine Fingerabdrücke.
Die Anweisungen auf der Innenverpackung reichen den meisten aus. Die werden schon wissen, wie man das Headset paart. Es sind übrigens zwei parallele Verbindungen möglich, das Headset will sich an insgesamt 8 wechselnde Partner erinnern. (Mir schwant, dieser Text könnte zweideutig verstanden werden).
Anders als seine vielen Mitbewerber von Plantronics hat das Evolve2 65 sogar ein aktivierbares, sehr gut sichtbares Busylight. HA! Es hat sich wohl endlich herumgesprochen, dass man kaum noch handelsübliche Telefone benützt und das Feature am Headset selbst deswegen wohl deutlich sinnvoller ist. Also, lieber Leser: Ich leuchte. Rot.
Varianten
Das Headset ist in unterschiedlichen Varianten bestellbar, u.a. in mono und stereo, mit und ohne Ladeschale für USB-C oder USB-A, mit unterschiedlichen USB-Dongles für USB-C und USB-A, die Dongles jeweils für Teams/S4B oder Universal, dazu noch in je zwei unterschiedlichen Farbvarianten.
Oi – Du meine Güte! Dazu bitte einen Venti Latte Extra Cream w/ Extra Caramel Drizzle! Ich habe mich zur Abwechslung mal für die Variante „380a MS, Stereo w/Stand in beige“ entschieden, allerdings hat mir der Händler die UC-Variante geschickt. Da kann man wohl auch mal durcheinanderkommen…
Die Ladeschale
steht (verglichen mit den Mitbewerbern) „extremst“ satt auf dem Tisch. Unter anderem, weil sie doch ein wirklich beachtliches Gewicht mitbringt.
Das Ding ist wohl alles andere als nur ein „aufgeständerter USB-Anschluss“: Die Ladeschale hat gut erreichbare, und für das häufige Entnehmen und Einlegen sichere und geeignete Pins.
Dazu sehe ich mithilfe einer LED, dass das Laden tatsächlich gestartet wurde. Bei sehr vielen Mitbewerbern ist das eher eine sehr wackelige Veranstaltung. Die Variante hier bekommt eine Eins mit Sternchen.
Der Ladeschale fehlt allerdings ein Stromadapter. Richtig, die Dänen machen wohl jetzt auch einen auf Apple und legen da nix mehr bei.
Das Ding ist lediglich mit einem USB-A- oder USB-C-Anschluss ausgestattet. Mit Verlaub, man könnte in dem Ding sogar einen weiteren Jabra Link unterbringen. Hat man wohl vergessen, obwohl die Ladeschale z.B. in SNOM-Telefonen direkt als HID-Interface erkannt wird. Nur wozu? Das bislang funktionslose interface lässt sich ja sogar mit Firmware-Updates versorgen, so dass die Kompatibilität mit externen Ladegeräten „erhöht“ wird, wie Jabra schreibt (Link). Da hätte echt nicht mehr viel für ein Audiointerface gefehlt. Im Moment würde ich das wohl eher als total overengineered bewerten, gewiss aber nicht schlecht.
Dongles
Die USB-Dongles (Jabra Link 380) gibt es ebenfalls in unterschiedlichen Varianten. Das liegt jetzt nicht an Jabra, sondern an Microsoft Teams oder Skype for Business, die HID anders bedienen wollen, als der ganze Rest. Mit der Microsoft-Variante des Dongles lässt sich Teams ohne Mausklickerei integriert bedienen. Schade, dass ich die Variante jetzt nicht habe.
Kritik: Der Link 380 funktioniert nicht in SNOM-Telefonen, wie man hier (noch) nachlesen kann: (Link). Der Beitrag ist inzwischen für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich.
Ich will das Problem im Moment keinem der beiden Hersteller zutragen, welche sich gerade den Ball zuschieben. So langsam sollte sich dennoch endlich mal einer der beiden sputen, das Problem zu korrigieren.
Man sollte also im Hinterkopf behalten, dass die Telefonie mit unterschiedlichen SNOM’s im Moment nur mit älteren, kompatiblen, zusätzlichen Adaptern, wie z.B. dem LINK 370 (rd. EUR50) nutzbar ist.
Mit Mac und Windows tut der Dongle wohl super. Ausgenommen vom SNOM-Problem habe ich bislang keine Situation erlebt, in jener der Dongle inkompatibel oder nicht nutzbar war.
Sonstiges Zubehör
Die mitgelieferte Tasche sieht zwar hochwertig aus, ist jedoch möglicherweise nicht ausreichend, um das Headset in manchen Rucksäcken zu schützen.
In der Tasche findet auch der USB-Dongle sicher seinen Platz. Ferner ist bei meiner Variante ein USB A/C Kabel dabei, um das Headset auch unterwegs zu laden.
Apps
Für iOS, Android, Mac und Windows gibt es erstklassig gemachte Apps mit recht vielen Features. Und die sind jeweils nativ bedienbar (liebe Leute von Plantronics!) und nicht durch irgendein wirklich schlechtes Framework genudelt. Besonders gefällt mir die Updatefunktion. Ebenso kann ich die Sprache und die Features des Headset’s (u.a. Busylight oder Mute-Funktionen und noch so vieles mehr) detailliert konfigurieren.
Auch gefällt mir, dass das Headset meine eigene Stimme in das Audio einschleifen kann – das unterbindet den Taucherglockeneffekt bei der gut isolierten Stereo-Variante.
Ferner habe ich hier (man traut seinen eigenen Augen nicht) tatsächlich die Möglichkeit, Firmwareupdates zu sperren. Könnten sich bitte alle, vorneweg Sennheiser, Bose und Plantronics, hier bitte mal asapst eine Scheibe abschneiden?!
Headset
Es wiegt. Zumindest meine Variante. Dabei wirkt es zumindest in auf der Verpackung und in den Katalogen noch filigraner. Tatsächlich ist es wirklich ordentlich verarbeitet, alle Spaltmaße stimmen.
Wenngleich Ohrmuscheln und Kopfbügel mit „vegan Leather“ (Tesla-Bezeichnung) überzogen sind, fühlt sich das alles andere als billig an. Memoryschaum und Silikon wird wohl darunter verbaut sein. Das hilft, besonders bei langen Konferenzen.
Der Träger selbst ist wohl aus Aluminium gefertigt. Gegenüber Bose und Plantronics knarzt hier selbst beim rastenlosen Verstellen des Bügels wirklich nichts. Das nenne ich mal richtig gute Verarbeitungsqualität.
Nicht gefallen wollen mir die kleinen und filigranen Knöpfe für die Musik. Das hätte man zwar mit Touch lösen können, dann wäre es vermutlich auch deutlich teurer geworden. Gut erreichbar ist der gut fühlbare Rufannahmeknopf in der Mitte.
Absolut klasse ist die simple Idee, für die Mute/Stummfunktion den Mikrofonarm einfach nach oben zu klappen (sofern konfiguriert) statt nach weiteren, filigranen Knöpfen am Ohr zu suchen. Chapeau! Man merkt, es ist wohl mein erstes Jabra ;-)
Die kompakte Form hat allerdings auch ein paar, wenige Nachteile: Dein Kopf darf nicht zu groß sein. Sollte dem so sein, lässt sich das Mikrofon möglicherweise nicht weit genug vom Kopf wegbewegen. Es kommt entweder zu hässlichen Geräuschen oder vermehrten Druck auf die hinteren Bereiche der Ohren. Das ist also nichts für wirklich jeden! Vorher mal Probetragen ist definitiv sinnvoll!
Für mich ist das Tragen sehr angenehm. Ich kann längere Zeit wirklich problemlos damit umgehen. Ich vergesse es fast auf meinem Kopf, wäre da nicht die gute Schallisolierung.
Klang (Musik)
Dieses Office-Headset ist eines der wenigen so betitelten, welches auch Audio-Buttons besitzt. Ich will wohl meinen, dass die 65er Variante nicht zum Musikhören geeignet ist: Hier wird weder APT-X noch AAC übertragen denn eher klassisches SBC – und das hört man deutlich heraus.
Das hat aber auch seine Vorteile: Das Bluetooth ist extrem robust und funktioniert auch über größere Distanzen. Gerade das brauchst Du auch, um Dich zwischenzeitlich mal frei zubewegen, wenn’s Meeting richtig lang dauert.
Ab und an mal lässt sich damit auch Radio oder Musik hören, wenngleich man beim Klang auch wegen der weniger klaren 40mm-Treiber deutliche Abstriche machen muss – ein Konzertsaal ist das definitiv nicht. ANC gibt’s erst bei den größeren Modellen, ist aber auch wegen der wirklich gut abschließenden Poster überhaupt nicht notwendig.
Klang (Gesprächsempfang)
Oi! Super! Bislang selten so guten Klang in Gesprächen erlebt. Ich habe sogar einen Mini-Equalizer, an jenem ich gleich die etwas dumpfen Höhen verstärkt habe. Sehr gut finde ich, dass ich einen guten und extrem schnell reagierenden Gehörschutz habe, der sich sogar noch konfigurieren lässt.
Selbst ein Stimmendurcheinander in einer Telko lässt sich auseinanderhalten, und der Blick nach oben (wer spricht da gerade) in BBB/GoTo/Teams entfällt. Ich bin über die Maßen entzückt, das gefällt mir wirklich sehr gut.
Ernsthaft, für‘ Meetings ist dieses Ding besser geeignet, als seine aktuellen, zahlreichen Mitbewerbermodelle. Das ist richtig spitze!
Klang (Mikrofonarm)
Die Kaffemaschine brüllt nicht mehr. Na dem Himmel sei Dank. Übersetzt sind die Nebengeräusche jetzt wohl viel besser rausgefiltert. Ich bin jetzt – dem Vernehmen nach – wieder sehr gut zu verstehen.
Ich würde mich wohl nicht unbedingt damit in die Keramikabteilung wagen. Allerdings könnte das Evolve2 65 peinliche Situationen besser kaschieren als seine Mitbewerber, darunter auch mancher Krach, welchen die Kinder verursachen.
Das Ding soll laut Spezifikation über drei Tonaufnehmer verfügen, welche meine Sprachventilation „mit einer Empfindlichkeit von -26dBFS/PA“ (?) aufnimmt.
Was auch immer dieser Wert zu bedeuten hat, es funktioniert sehr gut.
Fazit:
Man muss das schon mögen, denn die Geräuschisolation der Stereo-Variante ist für sich gesehen schon enorm, für Over-Ears sogar absolut. Für kinderreiche Familien zu Pandemie-Zeiten lässt sich damit für den Nutzer doch deutlich mehr Freiraum schaffen – dafür passt es perfekt. Auch die gute Verarbeitungsqualität tut sein übriges. Falls die Stereo-Variante unangenehm sein sollte, es gibt auch eine Mono-Variante.
Das Evolve2-65 ist nichts für Musikliebhaber, hier müssten wirklich andere Treiber in’s Ohr und AAC her. Wenn ich richtig informiert bin, gibt’s wohl auch Over-Ears von Jabra. Aber: Für Musik hab ich’s auch nicht gekauft. Und deswegen sind auch die Musik-Knöpfe überflüssig.
Mir reichen die 2-65er vollkommen. Sie sind zwar schwer, tragen sich aber sehr angenehm. Die Polster könnten für manche wohl noch einen Deut dicker sein, dennoch treten auch bei meiner „leicht größeren Blitzbirne“ erst nach wirklich langem Tragen nur sehr wenig Druckschmerzen auf.
Ersetzt haben sie ein defektes Savy DECT W740 (Link) – das hat immerhin 7 Jahre lang gute Dienste geleistet, bis es zuletzt den Geist aufgegeben hatte.
Danke an mein Lästerschwein für den guten Tipp!
Ich kann das Headset allen Menschen empfehlen, denen es passt – Probetragen erforderlich. Meine persönliche Meinung: Spitzenklasse mit tollen, gut durchdachten Features. Mich stört lediglich, dass ich lediglich zwei aktive Quellen (wird auch so beworben) nutzen kann und die notwendigen Ansagen für Statusänderungen recht laut sind, also das Gespräch überdecken. Für Home-Office mit Kindern oder Büros mit mehreren Kollegen perfekt. Ansonsten passt vielleicht auch die Mono-Variante.
Titelbildquelle: GN Audio A/S
Produktlink: Link
Transparenzhinweis: Dieses Headset wurde aus eigenen Mitteln finanziert und der Test weder von Jabra/GN Audio autorisiert noch finanziell unterstützt.