Ich habe ein Problem mit Hintergrundinformationen aus aktuellen Medienberichten. Ich fühle mich von denen hinter’s Licht geführt und in meiner Meinung manipuliert. Ich bin sehr enttäuscht. Eine Abrechnung mit der Regierung, den Herstellern und den Medien.
tl;dr: Die Beurteilung eines medialen Artikels ist für Fachfremde schwer. Nicht nur die Quellen sind anzugeben, sondern auch deren Relevanz.
Die Debatte um Grenzwerte und Fahrzeuge kocht, da sie von der Regierung nicht adäquat abgearbeitet wurde. Es geht hier um das simple Gefühl des Bürgers, von der Regierung im Stich gelassen zu werden. Ob dem „Gefühl“ auch wirklich Fakten gegenüberstehen, welche selbiges untermauern, will ich hier mal erkunden. Ausserdem will ich feststellen, ob drei „Lösungsansätze“ der Regierung denn Erfolg gehabt haben.
Gerade Volkswagen ist in Deutschland mit einem blauen Auge davongekommen, es gibt keine Pflicht zur Nachrüstung. Die Musterfeststellungsklage ist nur ein schwacher Trost, denn am Schluss kommt es wieder auf den einzelnen an. Volkswagen-Chef Diess benimmt sich schon wieder wie die Axt im Walde und droht sogar mit Arbeitsplatzverlusten – und das ziemlich vehement (Link). Also: Alles wieder beim alten und wie immer abzusehen.
Die Informationen, die ich hatte, waren bislang fast komplett. Ich habe verstanden, dass mit „AdBlue“ und einer adäquaten Nachbehandlung das „Dieselproblem“ NOx gelöst werden kann, und zwar an recht vielen bis fast allen Fahrzeugen. Herauskommen würde ein äußerst effizientes Fahrzeug, welches den Richtlinien entspricht.
Meinem Gerechtigkeitssinn würde entsprechen: Die Kosten für eine Nachrüstung müssen durch den Hersteller, welcher betrogen hat, gedeckt werden. Es kam nach einigen „Dieselgipfeln“ anders.
Eigentlich war’s ja auch klar. Manchen scheint da zu entgehen, wer bei Volkswagen denn so mit 11,8% Anteilseigner ist (Link). Gottseidank stimmt die Entwicklung, denn es waren mal deutlich mehr.
Meinung: Wegen „Systemrelevanz“ des Herstellers und dessen Drohungen muss der Bürger die Kosten für den Betrug am Bürger selbst tragen. Dieses Bild hatte ich bislang und war auf den Verkehrsminister und dessen Partei, sowie das Land Niedersachsen generell mal gar nicht gut zu sprechen.
Ich entschied: Ein eigener Volkswagen (samt aller konzernzugehöriger Marken) würde mir in Zukunft nicht im Leben mehr unter den Hintern kommen. Teile der Familie zogen nach. Nun kann sich so eine Entscheidung nicht mal eben jeder leisten und manch einkalkulierter Wertverlust wird von einigen Familien schulterzuckend zur Kenntnis genommen. Konsequenzen gibt’s in einem Rechtsstaat generell mal keine, das weiß auch die Opposition. Die Grünen nahmen da auch zur Kenntnis, dass die schallende Ohrfeige des KBA (Hinweis: untersteht dem Verkehrsminister) an die Familien mit Dieselfahrzeugen generell mal rechtswidrig war (Link).
Aber damit nicht genug: Manch tolles Softwareupdate lassen den AGR-Bereich samt Ansaugbrücke so versotten, dass eine Nutzung derer kaum noch möglich ist (Link).
Die Deutsche Umwelthilfe klagte auf Einhaltung der Emissionswerte. Und das recht erfolgreich: Stadt für Stadt musste sich bislang beugen, es gab kein Entrinnen, denn die DUH ist im Recht.
Das missfällt vielen, besonders dem VDA, doch besonders dem Bayernkurier (Link). Dem Unwissenden sei gesagt: Herausgeber ist die CSU.
Möglichkeit 1: DUH diskreditieren
Jetzt hat man ja unterschiedliche Möglichkeiten, an diesem Baum zu sägen. Die erste Möglichkeit wäre, die Umwelthilfe selbst zu diskreditieren, ihr z.B. die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Der erste Dolchstoß in den Rücken kam aus der dunkelbraunen Ecke, der zweite kam von den üblichen Verdächtigen: CDU und FDP. Das ist echt mal ein Brett. Passt mir die Nachricht nicht, murkse ich den Boten ab – so einfach ist das. Mir sei verziehen, dass ich ausnahmsweise mal ein Springer-Artikel zu diesem Fauxpas der Volkspartei verlinke: (Link).
Ich möchte anmerken: Weder eine Petition, noch irgendein Verkehrsminister noch irgendwer anders entscheidet über irgendeine Gemeinnützigkeit irgendeines Vereins, denn das Finanzamt – in diesem Fall in Singen. Dieser Versuch von CDU/CSU und FDP, jenem sich der Minister natürlich postwendend anschloss, war selten dämlich.
Möglichkeit 2: Gesetzeslage ändern
40 Mikrogramm seien zu niedrig, höre ich im Deutschlandfunk. Während mich bei den vorgeschriebenen 120 Stundenkilometern auf der A57 der Herr-Der-Ringe-Berufskraftfahrer mit Krawatte und unschuldig-weißem Hemd, mit seinem EA189-Tod-Durch-Injektion-Motor und dem vorgeschriebenen Mindestabstand von einem halben Meter vor sich her treibt, erklärt mir der Deutschlandfunk, was Angela Merkel wohl so vor hat (Link).
Bevor mich mein Hintermann vorne ansaugt und hinten wieder rausbläst, quetsche ich mich zwischen zwei LKW und schüttle mit dem Kopf. Das Vorhaben war wohl nicht nur mir, sondern auch den anderen Bürgern der Republik zu offensichtlich. Der Stratege fragt sich doch, ob das nich selten dämlich sei, die Grenzwerte gerade als Kanzler in Frage zu stellen? Da müssen andere Marionetten her.
Möglichkeit 3: Grenzwert selbst diskreditieren
Eigentlich war’s ja zu erwarten. Jetzt wird wohl nochmal über EU-Grenzwerte diskutiert und erst recht nicht mehr über den Betrug der Hersteller an sich. Wie kommt’s? Die Grenzwerte werden von einer Person in Frage gestellt, die es ja wissen muss! Angeschlossen haben sich gleich 100 weitere: Link. Ob sich die Kanzlerin wohl darüber freut?
Der Bundesverkehrsminister, jener bislang fröhlich pfeifend alle Forderungen der Bürger und Experten hinten angestellt hatte, übernimmt die Informationen aus Köhler’s Gruppe wiedermal natürlich und postwendend 1zu1, und wettert selbst gegen die EU-Grenzwerte, was das Zeug hält.
Gut, denke ich, kann ich nichts machen. Sind ja „Wissenschaftler“, die hier zitiert werden. Auch Lindner stimmt in Talkshows in den Kanon mit ein, jede Diskussion versiegt mit den Argumenten von Köhler.
Im übrigen sehe ich diesen Dieter Köhler, den Initiator einer Initiative von gleich 100 Menschen seiner Berufung jetzt quasi überall. Es war schwer, dem Kerl in den Medien zu entgehen.
Gut. Wir wissen, dass im ZDF die Redaktion mal grundsätzlich verklausklebert ist. Da waren immer schon viel „christdemokratische“ Meinungen und weniger Fakten. Aber dass sich der NDR, (richtig gelesen, der Norddeutsche Rundfunk in der ARD / Berbner u. Börgers) mit solchen Aussagen zum Feinstaub (Link – depubliziert am 07.01.2020) schmückt, das ist echt schon ein starkes Stück.
Gerade rechtsaußen formiert sich ob der medialen Verblödung neben CDU/CSU und den „freien Demokraten“ hässlicher Widerstand gegen die Grenzwertdiktion der EU. Die Grenzwerte seien ja quasi ein Beleg dafür, dass man in Brüssel nichts sinnvolles entscheiden könne – und so weiter – und so weiter. Deswegen schreibt Scheuer jetzt wohl einen „Brief“ (Link).
Der kleine Christian hätte von Hans-Dietrich wirklich den Rohrstock auf dem Hintern verdient.
Die „sozialen“ Unrechtsmedien werden bisweilen zugeschmiert mit faktenlosen Bullshit von ganz rechtsaußen. Die braunen Narren haben ihr Spielzeug wieder entdeckt und feuern mal wieder ihr komplettes Social-Media-Arsenal ab. Inzwischen wird’s mir bei Twitter auch schon ein wenig zu blöde.
Beim Nachdenken über diesen Umstand kommen mir #Brexit und die vielen Debatten darüber in den Sinn. Den Briten wurde medial angedichtet, man würde die eigenen Fehler doch tatsächlich der EU anlasten. Na isses denn die Möglichkeit! Das würde sonst wirklich niemanden einfallen! Schon gar nicht den Deutschen! Also das mit dieser Doppelzüngigkeit… Naja. Und überhaupt ist das alles unfair mit den Grenzwerten! Die Automobilindustrie hat ja schon mal gar keinen Einfluss auf die EU. Mal kurz nachgeblättert (Link)…
Einschub: Sinnvolle Ideen ablehnen
Mitten in der Diskussion folgt ein Nachschuss durch den Minister. Feinstaubemissionen werden nicht nur durch den Motor selbst emittiert, sondern auch durch Bremsen und andere Verschleißteile, wie Gummiabrieb. Merke ich ja selbst. Seitdem ich höchstens noch 120 fahre, geht der Verbrauch in den Keller und die Kosten für Verschleißteile fallen ebenso. Es wäre entspannter auf der Bahn, wenn alle 120 fahren würden, ganz so, wie in der Schweiz. Dann könnte ich sogar noch weniger verbrauchen. Wo wir gerade bei der Schweiz sind…
Verbalinjurien vom Minister und kachelnde Antworten
Wenn man ihn braucht, ist er auch prompt zur Stelle: Selbst Jörg Kachelmann schließt sich dieser Meinung an. Zugegeben, er ist ziemlich direkt, aber damit auch wie immer sehr deutlich:
Bei den eingehenden beeindruckenden Argumenten gegen #Tempolimit 130 die sich zunehmend aufdrängende Frage:
— Jörg | kachelmannwetter.com (@Kachelmann) 28. Januar 2019
Macht Schnellfahren doof? https://t.co/MCamhNJ5Az
Dieser Minister, den ich eben schon erwähnt hatte, ist jedoch gegenteiliger Meinung. Scheuer stellt den „Menschenverstand“ in Frage und nennt die Denkspiele (welche ich mir im übrigen auch angeeignet habe) zur Erhöhung der Sicherheit und Reduktion der Feinstaubemission „unverantwortlich“ (Link), (Link). Außerdem beklage er sich in Mimimi-Manier über die ständige Gängelung (Link).
Jetzt haben wir ja gerade gemeinsam den Kachelmann gelesen. Ja, ich hab‘ mit diesem Verkehrsminister so langsam auch ein Problem. Ich hab‘ den zwar nicht gewählt, aber diese Flitzpiepe bekommt ja sein Gehalt von mir – Leider auch von ein paar anderen.
Nun ist es in der Politik ja auch so wie beim Fußball. Wenn der Schiri ein Spiel so dermaßen verpfeift, liegt der Verdacht nahe, irgendwer könne da noch so seine Finger im Spiel haben (Link). Ich will und kann mir einfach nicht vorstellen, dass Kachelmann mit seiner Aussage tatsächlich recht haben könnte…
Alle Versuche der Konservativen, den Grenzwert abzuschaffen sind gescheitert.
Ich weiß nicht, was die noch im Köcher haben. Ich bin mir aber sicher, das Magazin vom Verkehrsminister ist da noch nicht leergeschossen. Der kann noch. Belangt worden ist er für seine Verfehlungen bislang wohl nicht, auch wenn man ihn links der CDU schon längst nicht mehr ernst nehmen kann.
Die Masche, den schwarzen Peter für die eigenen Verfehlungen an die EU zu schieben, finde ich mitunter doch recht problematisch. Es könnte ja die Unterstellung folgen, man sei eher populistisch eingestellt und fände das mit der EU gar nicht so cool.
Sicher, CO2 ist neben Feinstaub auch ein Problem. Aufgrund der Debatte im letzten Jahr habe ich mir erst gar keinen Diesel gekauft, sondern einen sparsamen Benziner – obwohl es meiner Fahrleistungen wegen umgekehrt besser wäre. Nach der aktuellen Debatte und der Infragestellung der Emissionsgrenzwerte habe ich ja zwischenzeitlich sogar Reue bei mir vernommen. Hätte es ein Euro6-Diesel auch getan?
Stellt sich raus: Verarschung!
Auch der letzte Versuch war eine Volksverarschung – aber dieses Mal mit Anlauf! Ich bin da leider auch einem Relotius aufgesessen, wie der Rest der Republik. Das war jetzt erstmal doch nicht so offensichtlich.
Was Dieter Köhler und seine 100 Schnullis verzapft haben, ist nicht relevant – zumindest für die Grenzwerte. Er kann und darf offensichtlich gar nicht adäquat in diesem Thema urteilen. Ein Großteil seiner Branche sehen ihn und seine Aussagen sogar selbst als hochproblematisch und vor allem irrelevant an. Ihm fehlt da – sozusagen – auch noch die Rückendeckung im eigenen Lager.
„Das hab‘ ich so gar nicht gesehen.“
Ausrede: Mir fehlten die Mittel, den Köhler zu hinterfragen. Ich bin in der Pneumologie branchenfremd, kenne mich nicht aus und musste mich auf die Berichtserstattung von den Öffentlich Rechtlichen verlassen.
Nun höre ich zum ersten Mal in der Wochendämmerung, welchen Blödsinn man mir da in den Medien verzapft hat. Ich lese in den verlinkten Quellen nach, weil da die Faktenbasis adäquat korrigiert wurde:
https://wochendaemmerung.de/179-gruetze-detektor-schulung-am-beispiel-lungenaerzte/
Die Wochendämmerung (Link) ist ein Podcast von Katrin Rönicke und Holger Klein, welcher bei Hauseins veröffentlicht wird. Ich kann ihn Euch wärmstens empfehlen.
Ja why the fuck hab‘ ich denn den Schnuller in jedem Magazin und in jeder Talkshow zum Thema gesehen? Haben die alle dessen Hintergrund gar nicht hinterfragt? Warum verdammt nochmal muss ich das hintenrum, am Ende der Woche, in einem Podcast mitbekommen? Hört den außer mir noch irgendwer?
Stellt sich auch die Frage: Wer führt hier eigentlich wen hinter’s Licht? Ich bin Köhler, Lindner und Scheurer dieses Mal gewaltig auf den Leim gegangen. Sind die Öffentlich-Rechtlichen genauso verschaukelt worden?
Na immerhin haben sie es mit sich machen lassen.
Und, Haben Sie’s schon bemerkt?
Keiner redet mehr über Volkswagen, keiner redet mehr über Nachrüstungen. Das ist jetzt irgendwie blöd. Aber: Der Wertverlust steht ja in der Garage des Bürgers… Nicht in den Büchern der Hersteller und nur zum Teil in den Büchern des Finanzministers. Ist also alles gar nicht so schlimm.
Es bleibt der Verdacht, dass die Versuche aus dem Regierungslager sich einer gewissen Methodik bedienen. Wenn das mit den Fakten selbst nicht klappt, ist’s ja nicht so schlimm. Ich wage mal vorherzusagen, dass das noch nicht der letzte Pfeil im Köcher gewesen ist.
Die Medien haben dem Land einen Bärendienst erwiesen. Chapeau! Ganz vorne dabei: ZDF. Sorry Leute, das ging gar nicht. Mit dem Zweiten sah man weniger. Die Entgleisungen in allen öffentlich-rechtlichen Medien sägen am Vertrauen. Man hätte mir mit auf den Weg geben müssen, die Debattengrundlage keine Relevanz hatte. Ich halte das für grob fahrlässig.
Als Sahnehäubchen darf ich Ihnen dann noch einen Fernsehbeitrag der Öffentlich-Rechtlichen auf den Weg geben. In jenem Beitrag wird deutlich, dass der Hersteller BMW (entgegen den eigenen Aussagen) in Sachen AdBlue schon längst was im Regal hatte. Und zwar für alle problematischen Modelle:
Nein, Ich bin nicht zufrieden. Eher enttäuscht. Ich wünsche mir deutlich mehr Sorgfalt. Und jetzt wünsche ich mir vom öffentlichen Rundfunk zusätzlich zum Faktencheck zu jedem Beitrag eine Information zur Faktenrelevanz. Dass das utopisch ist, weiß ich auch. Wünsche wird man ja nochmal formulieren dürfen.
Ausserdem bleibt der bittere Nachgeschmack, dass die Größe eines Konzerns oder eine Branche entscheidend für den Zustand des Rechtstaats ist. In vielen Fällen spricht man von „Systemrelevanz“.
Gefühlte Wahrheiten und falsche Fakten führen zu gefährlichen Diskussionen. Verkehrte Fakten haben zu vielen Unfällen in der Vergangenheit geführt. Es gilt, jedem die Möglichkeit zu geben, seine Entscheidungen auf Basis korrekter Fakten zu treffen. Für das persönliche Wohl und auch für die Demokratie.